ERB-GUT – Geerbt? Was nun?
Erb-Gut
Wenn der Nachlass eine Immobilie umfasst, stehen wichtige Entscheidungen an – die gut überlegt sein sollten
Der Tod eines Angehörigen bringt oft nicht allein die Trauer um den großen Verlust mit sich, sondern auch die Verantwortung für die Regelung des Erbes.
„Befindet sich im Nachlass ein Haus, kann das mit viel Aufwand und persönlichem Schmerz verbunden sein“, weiß Immobilienspezialist Peter Dondorf aus Aachen: „Jeder sollte deshalb die gesetzlichen Fristen, rechtlichen Regelungen und steuerlichen Forderungen kennen.“
Wer bin ich eigentlich? Die Erbfolge
Am Anfang aller Überlegungen steht die Klärung, in welcher Rechtsstellung sich der potenzielle Nachlassnehmer laut Erbgesetz befindet. Liegt kein Testament oder Erbvertrag vor, wodurch die Verfügung oder die Nutzung einer hinterlassenen Immobilie geregelt ist, greift die gesetzliche Erbfolge. Darin sind zunächst immer die Hinterbliebenen mit dem engsten Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser begünstigt: Ehe- oder Lebenspartner, Kinder und Enkel stehen noch vor den Eltern, Geschwistern und Nichten oder Neffen. Das Fehlen eines Testaments und somit die gesetzliche Erbfolge kann zur Entstehung einer Erbengemeinschaft führen – deren Mitglieder oftmals unterschiedliche Interessen verfolgen. Gehört eine Immobilie zum Nachlass, deren Wert den des übrigen Erbes übersteigt, ist eine „natürliche Teilung“ nicht mehr möglich. In diesem Fall müssen sich die Erben gemeinsam über die Verwendung der Immobilie einigen – und für jede Entscheidung ist ein einheitlicher Beschluss der Miterben nötig…
Annehmen oder ausschlagen? Die Er(b)klärung
Eines steht unweigerlich fest: Wer eine Immobilie erbt, der übernimmt auch alle damit einhergehenden finanziellen Belastungen. Stellt sich heraus, dass ein Haus auf einem Schuldenberg errichtet wurde, kann das Erbe ausgeschlagen werden. Dafür muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis der Erbschaft beim Nachlassgericht eine entsprechende Erklärung abgegeben werden. Wer das Erbe hingegen annehmen möchte, kann das entweder formlos oder durch schlichtes „Nichtstun“ erklären. Die Annahme des Erbes ist selbstverständlich nur dann ratsam, wenn der Wert des Nachlasses die Summe der Schulden übersteigt. Wer das Erbe annimmt und die Immobilie nicht verkaufen, sondern selbst bewohnen möchte, muss einen Antrag auf Berichtigung des Grundbucheintrags stellen – was beim Grundbuchamt bis zu zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers kostenfrei möglich ist.
Erbschaft teuer? Die Erbschaftsteuer…
Wie so vieles in Deutschland, so unterliegen auch Erbschaften der Steuerpflicht. Wie hoch die Abgaben sind, ist einerseits stark vom Verwandtschaftsgrad zum Verstorbenen abhängig, andererseits vom Wert der Immobilie und von ihrer Nutzung. Die gute Nachricht: Es gibt Freibeträge – von 500.000 Euro für Ehegatten oder Lebenspartner und 400.000 Euro für Kinder bis hinunter zu 20.000 Euro für Geschwister und nichtverwandte Erben. Wichtig ist, den Erbfall innerhalb von drei Monaten am besten schriftlich dem Finanzamt mitzuteilen. Steuerfrei ist eine geerbte Immobilie indes, wenn sie vom Verstorbenen zuvor selbst bewohnt wurde, nicht mehr als 200 Quadratmeter Wohnfläche umfasst und vom Erben als Ehe- oder Lebenspartner oder als Kind für mindestens zehn Jahre bewohnt wird.
Worauf gut achten? Der Verkehrswert
Wer eine Immobilie erbt, der sollte wissen, welchen Wert sie hat. „Um diesen sogenannten Verkehrswert zu ermitteln, gibt man am besten ein Wertgutachten in Auftrag“, rät Peter Dondorf, geschäftsführender Gesellschafter der IVB Peter Dondorf Immobilien Vermittlung & Beratung GmbH in Aachen: „Die Ermittlung des Werts gewährleistet die Kontrolle über die zu entrichtende Erbschaftssteuer.“ Denn: Das Finanzamt orientiert sich dafür lediglich an einem Durchschnittswert nach der Grundvermögensbewertungsverordnung (ebenso kurz wie unaussprechlich auch „GrBewV“ genannt).
Wer die geerbte Immobilie von einem Sachkundigen bewerten lässt und das Gutachten dem Finanzamt vorlegt, kann den Steuerbetrag feiner bestimmen und gegebenenfalls wertmindernde Eigenschaften der Immobilie geltend machen, was die Erbschaftsteuer entsprechend reduziert. „Vor allem bei älteren Häusern, die renoviert werden müssen, lohnt sich ein eigenes Gutachten“, betont Dondorf. Eine solche Bewertung sei aber auch eine wichtige Grundlage für jedes weitere Vorgehen – etwa, wenn im Raum stehe, die Immobilie zu verkaufen. Den Marktwert einer Immobilie beeinflussen unterdessen verschiedene Faktoren: Größe, Sanierungsstand, Lage oder Ausstattung beispielsweise. „Das macht die Wertermittlung zu einem komplexen Vorgang“, mahnt Dondorf, der deshalb die Beratung durch einen Immobilienexperten empfiehlt: „Die meisten Verkäufer schätzen die Verkaufssumme zu hoch ein, da ideelle Werte mit einfließen oder sie sich einen hohen Gewinn erhoffen.“
Gebrauchs-Anleitung? Die Nutzung
Eine Immobilie zu erben, weckt auch Emotionen: Fast immer ist das Haus mit zahlreichen Erinnerungen an den Verstorbenen verbunden. In vielen Fällen handelt es sich bei der Immobilie um das Elternhaus, in dem der Erbende aufgewachsen ist. Das und die Befreiung von der Erbschaftsteuer bildet ein gutes Argument für eine Eigennutzung. Doch vor dem übereifrigen Packen der Umzugskisten sollten selbstkritische Fragen stehen: „Passt die Größe des Hauses zu meinem Bedarf und seine Lage zu meiner Lebenssituation?“, „Wie hoch sind die Erhaltungskosten?“ und „Muss renoviert werden?“ sind einige davon. Eventuell steht am Ende die Erkenntnis, dass es nur noch zwei Optionen gibt: Vermietung oder Verkauf. „Eine Vermietung lohnt sich für denjenigen, der eine inflationssichere Vermögensanlage sucht, die auch noch Mieteinnahmen abwirft, oder wer die Immobilie später selbst nutzen und die Zeit mit Vermietung überbrücken möchte“, sagt Dondorf. Den Erfahrungen des Aachener Immobilienspezialisten zufolge entscheiden sich die meisten Erbenden aber für einen Verkauf des Hauses.
Käufer gesucht? Gute Gründe
Nicht aus Zufall: Oft gibt es für den Verkauf einer geerbten Immobilie gute Gründe. So kann es sein, dass sich das Haus in einer Region befindet, die immer mehr Menschen verlassen – ein Verkauf verhindert dann den fortschreitenden Wertverlust der Immobilie zu eigenen Lasten. Egal, wo das Objekt steht: „Wer einen Käufer für eine freie Immobilie sucht, hat deutlich bessere Chancen, einen Abnehmer zu finden, als wenn das Haus schon eine Zeit lang von Mietern bewohnt wird“, erklärt Dondorf, denn der neue Eigentümer könne nicht frei über die Immobilie verfügen und die Miete nur unter gut begründeten Umständen erhöhen. Weitere Motive für den Verkauf eines geerbten Hauses: Oft ist es nicht frei von Kreditschulden, die bekanntlich mitvererbt werden, der Aufwand in Form von Reparaturen und Mieterakquise ist zu hoch oder die finanziellen Mittel sind zu knapp, um in eine als Gemeinschaft geerbte Immobilie einzuziehen und die Miterben auszuzahlen.